Ade, Mercedes G!

Feuerwehrfahrzeuge in Deutschland sind in aller Regel DIN-genormt. Häufig vorkommende und allseits bekannten Typen sind Löschfahrzeuge oder Drehleitern, welche häufig in identischer Bauweise gebaut werden und bei den Wehren in den Fahrzeughallen stehen. Doch es gibt immer mal wieder auch „Exoten“ – Fahrzeuge, die von eben jener Norm abweichen und ein gewisses Alleinstellungsmerkmal vorweisen können. Mehrzweckfahrzeuge zum Beispiel, die weder reines Löschfahrzeug, noch Mannschaftstransporter oder Gerätewagen sind – eben „Fahrzeuge mit mehreren Einsatzzwecken“.

So ein Exot ist auch unser Mehrzweckfahrzeug. Und genau das macht es auch so besonders.

Doch jedes Feuerwehrfahrzeug muss irgendwann einmal die Fahrt in Richtung Ruhestand antreten. Nach fast 25 Jahren Einsatzdienst in der Feuerwehr Schwiegershausen geht eben dieses Mehrzweckfahrzeug, der G, wie er einfach meistens nur genannt wird, nun in „Status 6“ (*).

Im nachfolgenden Text blicken wir zurück auf dieses besondere Einsatzfahrzeug und zeichnen seine Geschichte nach, die lange vor der Indienststellung in Schwiegershausen beginnt.

(*) Status 6 ist der Status im Digitalfunk, wenn ein Feuerwehrfahrzeug nicht (mehr) einsatzbereit ist.

Das erste Leben als Vorausrüstwagen in Mössingen

Die Geschichte des G begann mit seiner Erstzulassung am 31. Juli 1981. Anschließend wurde der Mercedes-Benz 280 GE als Vorausrüstwagen (VRW) bei der Freiwilligen Feuerwehr Mössingen in Dienst gestellt. Angetrieben von einem 156 PS-starken Ottomotor wurde dieses Fahrzeug fortan zur schnellen technischen Hilfeleistung (TH) vornehmlich bei Verkehrsunfällen auf der nahen Bundesstraße B27 eingesetzt. Das allradgetriebene und hoch geländegängige Fahrzeug bot drei Einsatzkräften Platz.

Aufgebaut wurde das Fahrzeug bei der Firma Albert Ziegler in Giengen, dort ist u.a. ein 5-kVA-Stromgenerator verbaut worden, welcher vom Fahrzeugmotor angetrieben wird. Damit betrieben wurde ein hydraulischer TH-Rüstsatz, bestehend aus Rettungsschere und Spreizer. Das Fahrzeug konnte schnell besetzt werden und an der Einsatzstelle direkt eine technische Rettung durchführen.

Der Funkrufname lautete „Florian Mössingen 1/50 bzw. 1/18“.

Der Weg vom Tragkraftspritzenanhänger zum Mehrzweckfahrzeug

Wie fand nun ausgerechnet dieses Fahrzeug seinen Weg nach Schwiegershausen? Um diese Frage zu beantworten schauen wir uns den Fuhrpark der Feuerwehr Schwiegershausen vor der Jahrtausendwende mal genauer an.

Haupteinsatzfahrzeug war zu dieser Zeit ein Löschgruppenfahrzeug LF 8 (Baujahr 1983). Dieser Fahrzeugtyp hatte eine an der Frontstoßstange fest angebaute Feuerlöschkreiselpumpe FP 8/8 (800 Liter Wasserförderung/Minute bei 8 bar Ausgangsdruck), welche direkt vom Fahrzeugmotor angetrieben wurde. Zusätzlich gehörte eine Tragkraftspritze TS 8/8 zur Standardbeladung. Einen Wassertank gab es nicht.

In Schwiegershausen wich man bereits schon länger von dieser Standardbeladung ab, die TS wurde separat auf einem Tragkraftspritzenanhänger (TSA) transportiert. Zu diesen Zeiten war das Hydrantennetz noch nicht so gut ausgebaut wie heute und lieferte nicht genügend Druck. So musste zwangsläufig immer auf die offenen Wasserentnahmestellen des Hackenbachs zurückgegriffen werden.

Der Vorteil des TSA lag darin, dass er unabhängig vom LF 8 bewegt werden konnte. Häufig übernahm diese Transportaufgabe der Landwirt Friedel Großkopf mit seinem Traktor. Während das LF 8 direkt zur Einsatzstelle fuhr um dort bereits tätig zu werden, steuerten das Mannschaftstransportfahrzeug (MTF) mit Schlauchanhänger sowie das Treckergespann die nächstgelegene Wasserentnahmestelle an.

Doch der alte TSA war abgängig und so entschied sich das Kommando im Jahr 2000, ein eigenes Fahrzeug zum Transport der TS anzuschaffen. Das System, die TS autark vom LF 8 zu bewegen hatte sich bewährt und sollte beibehalten werden. Die Überlegungen gingen in Richtung Tragkraftspritzenfahrzeug (TSF). Durch die Vermittlung der Firma Spoerer, welche zu dieser Zeit in Schwiegershausen mit einer Lagerfläche ansässig war, kam ein Kontakt nach Baden-Württemberg zustande, wo zwar kein TSF, aber ein anderes, interessantes Fahrzeug zum Verkauf stand.

Das zweite Leben als Mehrzweckfahrzeug in Schwiegershausen

Indienststellung als MZF

Die Feuerwehr Mössingen entschied sich, ihren VRW nach 20 Jahren Einsatzdienst auszumustern, die Feuerwehr Schwiegershausen entschied sich, ein zusätzliches Fahrzeug zum Transport der TS anzuschaffen. Dank der Firma Spoerer kam ein Kontakt zustande und so fuhren der damals frisch gewählte stellv. Ortsbrandmeister Lars Göldner, der damalige Gruppenführer Manfred Wode sowie Thorsten Waldmann am 17. Februar 2001 per Bahn Richtung Mössingen.

Wichtig war, dass Halterungen für vier Saugschläuche und der TS-Schlitten in das Fahrzeug eingebaut werden konnten. Da dies passte und man sich einig wurde, nahmen die drei Kameraden das Fahrzeug direkt mit und überführten es auf eigener Achse die über 500 km lange Strecke nach Schwiegershausen.

Dort angekommen wurde es an die Bedürfnisse der Feuerwehr Schwiegershausen angepasst. Die TH-Ausrüstung und der dritte Sitz im Fond wurden ausgebaut. Dafür wurde der Schlitten zur Aufnahme der TS sowie vier Lagerungen für die A-Sauglängen eingebaut. Weiteres Material zum Herrichten einer Wasserentnahmestelle wurde entsprechend verstaut. Auf dem Dach wurde ein Dachgepäckträger installiert auf welchem ein Schott zu Anstauung des Baches für die offenen Wasserentnahmestellen sowie eine Schaufel ihren Platz fanden.

Der G lief fortan als Mehrzweckfahrzeug mit dem Funkrufnamen „Florian Osterode 17/48“ und dem amtlichen Kennzeichen OHA – FP 88. FP 88 steht in diesem Fall für die transportierte Tragkraftspritze, nach Norm eine Feuerlöschkreiselpumpe 8/8.

Da es 2001 nur zwei Stellplätze im Gerätehaus gab, stand das MZF anfangs in der Scheune von Manfred Wode. Später bezog es die alte Waschhalle des ehemaligen Autohauses Waldmann/Hunger+Sattler (später Artec, heute Zimmerei Jürgen Bode) direkt neben dem Gerätehaus. Da das alte LF 8 langfristig durch ein größeres LF 10 ausgetauscht werden musste, wurde ein dritter, größerer Stellplatz ans Gerätehaus angebaut. Somit konnte der G dann ins Gerätehaus einziehen und im rechten Stellplatz der alten Halle auf seine Einsätze warten.

Mit der Indienststellung dieses Fahrzeug genoss die Feuerwehr Schwiegershausen sowohl im ehemaligen Landkreis Osterode als auch jetzt im Landkreis Göttingen ein Alleinstellungsmerkmal. Ein derartiges Fahrzeug fand sich in keiner anderen Ortsfeuerwehr. Ein ähnlicher Typ, allerdings moderner und als Gerätewagen-Tragkraftspritze bezeichnet, wurde 2016 in Ossenfeld in Dienst gestellt.

Die Generalüberholung

2018 stand das Kommando das erste Mal vor der Frage, wie es mit dem zu dieser Zeit bereits 37 Jahre alten Fahrzeug weitergehen sollte. Der Lack war bereits seit langem stark ausgeblichen, was bei Lackierungen in Tagesleuchtrot (RAL 3024) durchaus häufiger vorkommt. An einigen Stellen war Rost zu sehen und das Getriebe war auch nicht mehr im besten Zustand. Dank großzügiger Unterstützung von Florian Wiesner, Inhaber der Schwiegershäuser Firma „Getriebeklinik“ sowie der Autolackiererei Tobias Hungerland aus Bad Lauterberg konnte das Fahrzeug aber wieder flott gemacht werden. Beide stellten ihre Arbeit kostenfrei zur Verfügung. Während Wiesner das Getriebe wieder instand setzte, lackierte Hungerland das Fahrzeug um. Ab nun erstrahlte der G in Feuerrot (RAL 3000) und passte sich damit auch optisch den anderen Fahrzeugen im Fuhrpark der Wehr an.

Auch der Funkrufname änderte sich. Durch Einführung des Digitalfunks und die Kreisfusion bekamen alle Feuerwehrfahrzeuge neue Funkrufnamen. Das MZF war ab 2015 unter „Florian Göttingen-Land 24-69-11“ zu erreichen.

Außerdienststellung im Oktober 2025

Die Hauptargumente für die Anschaffung des G haben wir bereits erläutert. Auch nach Indienststellung des neuen LF 10 im Jahre 2008 wurde das Fahrzeug weiter betrieben. Doch durch den Ausbau des Hydrantennetzes und dem, gerade in den Sommermonaten, immer weniger wasserführendem Hackenbach ist diese Taktik mittlerweile obsolet. Durch die Eingliederung der Löschgruppe Uehrde mit ihrem TSF bzw. die Indienststellung des neuen KLF ist die Feuerwehr Schwiegerhausen flexibler geworden und es kam vermehrt der Wunsch auf, ein neues, flexibleres Einsatzfahrzeug vorzuhalten. Ein Logistikfahrzeug, welches mehr Einsatzkräfte aufnehmen und je nach Einsatzzweck unterschiedliche Beladung transportieren kann.

Bereits 2024 wurde eine Arbeitsgruppe innerhalb des Kommandos gebildet, die sich mit der Zukunft des MZF (sowie des MTF Uehrde) zu beschäftigen hat. Nach vielen Diskussionen entschied sich das Kommando nun Mitte dieses Jahres, beide Fahrzeuge auszumustern und die Anschaffung eines neuen Fahrzeuges für den Standort Schwiegershausen zu forcieren. Wir werden zu gegebener Zeit dazu berichten.

Mit der Außerdienststellung des G endet nun die beachtenswerte Feuerwehrkarriere eines Fahrzeuges, welches in nahezu 45 Dienstjahren zwei Feuerwehren gedient hat. In Mössingen wird der G als VRW sicher geholfen haben, unzähligen Menschen das Leben zu retten. In Schwiegershausen kam das Fahrzeug bei vielen Einsätzen in und außerhalb des Ortsgebietes zum Einsatz. Häufig an Wasserentnahmestellen, aber auch als Vorausfahrzeug für den Ortsbrandmeister, als Notarztzubringer, als Geländeretter oder flinkes Führungsfahrzeug bei Großschadenslagen. Den Begriff „Mehrzweckfahrzeug“ hatte unser liebgewonnener Oldtimer im besten Sinne zu jeder Zeit ausgefüllt.

Sein markantes Einsatzhorn, die originale Martin-Horn-Anlage, erklang zum letzten Mal in den frühen Morgenstunden des 12. Oktobers. Zur Unterstützung der bereits eingesetzten Wehren wurde die Feuerwehr Schwiegershausen nach Osterode alarmiert, dort brannte der Netto-Markt in der Innenstadt. Mit einer Besatzung von 1:1 fuhr der G den Kreisel am Pferdeteich an und sperrte dort die Einfallstraße in Richtung Innenstadt. Der endgültig letzte Einsatz für das MZF dauerte ca. 5 Stunden.

Damit ist es jetzt Zeit Abschied zu nehmen und darum sagen wir dankbar: „Ade! Mercedes G!“

Text: Marcel Sonntag

Ich bedanke mich bei Thomas Lauria und Andreas Steinhilber von der Feuerwehr Mössingen für die Zurverfügungstellung der vielen Fotos, als das Fahrzeug noch dort im Einsatzdienst stand. Des Weiteren bei Manfred Wode und Lars Göldner, die viele Hintergrundinformationen beisteuern konnten. Vielen Dank!


Die große Fotogalerie

Fotos aus Mössingen

Fotos von Andreas Rode

Fotos von Marcel Sonntag

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